Die Idee, den Tag bewusst zu beschließen, ist uralt- und zugleich erstaunlich wirksam. In der Psychologie wird oft festgestellt, dass negative Informationen eine stärkere Wirkung entfalten als positive: Sie ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich, werden intensiver erinnert und haben einen größeren Einfluss auf Urteile. Ohne bewusste Steuerung haben wir die Tendenz, in der Rückschau vor allem Fehler und Belastendes zu fokussieren. Abendliche Dankbarkeitsrituale können dazu beitragen, dass die Rückschau nicht unbewusst zur Grübelstunde wird.
Wenn wir jeden Abend in der Rückschau drei positive Aspekte identifizieren und verinnerlichen, nutzen wir ein einfaches Instrument der Selbstführung.
Die Erklärung: Offene Aufgaben werden so mental „geparkt“, Sorgen und Gedankenkreisen nehmen ab.
Das 10-Minuten Abendritual
Zur gleichen Zeit, wenn möglich, Stift und Papier bereithalten. Etwa 10 Minuten genügen.
- Ruhig werden (30–60 Sekunden) Zwei tief einatmen, Handy zur Seite legen, Mini-Überprüfung: „Wie ist mein aktuelles Empfinden?“
- Rückblick rückwärts (2-3 Minuten) Vom Abend zum Morgen den Tag zurückwandern. Ähnlich wie in Rudolf Steiners Übung sollen die Szenen aus einer externen Perspektive betrachtet werden, ohne eine Bewertung vorzunehmen. Lediglich wahrnehmen.
- Drei positive Aspekte (2 Min.) Drei erfolgreiche Momente festhalten – in Groß- oder Kleinschreibung – und jeweils erläutern, weshalb sie erfolgreich waren. Dadurch werden mögliche Lerneffekte intensiviert und eine größere Dankbarkeit entsteht.
- Eine Sache, die wir beim nächsten Mal verbessern können (2 Minuten) Ein Bereich auswählen, in dem sich Verbesserungen anbieten, und freundliche wie präzise Formulierungen dafür verwenden. Eine Wenn-dann-Absicht formulieren, z.B.: „Wenn ich morgen zur Teambesprechung gehe, beginne ich mit einer positiven 1-Minuten-Zusammenfassung.“
- Morgen entlasten (1 bis 2 Minuten) Eine kurze Aufgabenliste für den kommenden Tag erstellen. Dadurch wird Grübeln in der Nacht verringert und das Einschlafen kann leichter fallen. Das Heft dann zuklappen, der Tag ist jetzt beendet.
- Gegenwart – Dankbarkeit – Rückblick – Reue/Versöhnung – Ausblick
- Expressives Schreiben (3 Minuten): Ungezwungen über ein belastendes oder berührendes Ereignis schreiben – ohne Anspruch auf Stil, nur für die eigene Person. Im Anschluss ein kurzes „Was nehme ich daraus mit?“
- „Drei gute Dinge“ – in der Familie als Ritual: Zum Abendessen teilt jeder seine drei Tageslichtblicke. Dieses Brauchtum festigt die Bindung innerhalb der Familie.
- Grübeln vermeiden und stattdessen reflektieren: Auf eine neutrale Beobachtung und kleine Schritte achten. Sobald wir feststellen, dass Vorwürfe überwiegen, sollten wir absichtlich auf „Was habe ich dennoch gut gemacht?“ oder spezifische Wenn-dann-Pläne umschwenken.
- Allein Schwierigkeiten wahrnehmen: Unser Gehirn bewertet Negatives stärker, weshalb Dankbarkeits-Gelungene-Elemente einen festen Bestandteil der Übung sein sollten.
- Zu lang, zu kompliziert: Besser kurz und regelmäßig als selten und übermäßig. Fünf Minuten genügen.
- Schlafqualität nimmt ab: Sensiblen Schläfern empfiehlt es sich, die To-do-Liste besser zum Tagesabschluss zu verwenden oder die Rückschau bereits am Abend früher vorzunehmen.